Dialog Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen Justiz, Inneres und öffentliche Sicherheit

JURTECH:JURSTUDY

  • Status Beendet
  • Zeitraum 31.01.2022 bis 31.03.2022
  • Beiträge 34 Beiträge
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Hintergrundinformationen

Fachkongress Digitalisierung (in) der Juristenausbildung: Wie sieht die juristische Arbeitswelt von morgen aus? Welche Kompetenzen müssen angehende Juristinnen und Juristen heute im Studium erwerben, um für die digitalisierte Arbeitswelt der Zukunft gerüstet zu sein? Und wie kann die Wissensvermittlung selbst, wie kann das Jurastudium mit digitalen Mitteln didaktisch verbessert werden?

Zu diesen und weiteren Fragen rund um die juristische Ausbildung und die Digitalisierung hat das Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen den Dialog mit den juristischen Fakultäten des Landes und weiteren Beteiligten aufgenommen.

In einem ersten Schritt wurden vier Workshops vom Ministerium organisiert, in denen u.a. Professorinnen und Professoren aus ganz Deutschland, Vertreterinnen und Vertreter der Studierenden, der Kammern und Verbände der juristischen Professionen sowie der Legal-Tech-Branche in einen intensiven Austausch eintraten. In diesen Workshops wurden vier Themenfelder vordiskutiert und dazu Thesenpapiere verfasst.

Dann waren Sie gefragt! Sie hatten die Gelegenheit sich die Thesenpapiere durchzulesen und zu kommentieren und zu bewerten. Vielen Dank für Ihre Anregungen und die Beteiligung!

  • Thesenpapier 1 - Digitale Lehre: Voraussetzungen und Möglichkeiten digitaler Lehrveranstaltungen;
  • Thesenpapier 2 - Rechtsanwendung auf digitale Sachverhalte: Inwieweit sollte bei der Vermittlung von Rechtskenntnissen auf digitale Lebenssachverhalte eingegangen werden? 
  • Thesenpapier 3 - Rechtsgewährung der Zukunft – Juristinnen und Juristen der Zukunft: Wie werden sich die juristischen Berufe zukünftig verändern und was folgt hieraus für die juristische Ausbildung? Welche Kenntnisse und Fähigkeiten sollten den jetzt in der Ausbildung befindlichen Juristinnen und Juristen vermittelt werden, um für die Arbeitswelt der Zukunft gerüstet zu sein?
  • Thesenpapier 4 - Digitale Prüfung: Voraussetzungen und Möglichkeiten der Durchführung universitärer und staatlicher juristischer Prüfungen in digitaler Form.

Veranstaltung

Der Austausch wurde fortgesetzt auf einem Fachkongress, der am 23. Februar 2022 stattgefunden hat. Um möglichst vielen Interessierten eine Teilnahme zu ermöglichen, wurde neben der Präsenzveranstaltung in Düsseldorf auch ein Livestream auf dem justizeigenen You Tube-Kanal durchgeführt. Weitere Informationen zum Ablauf finden Sie hier.

Hier kommen Sie zur Schwerpunktseite Jurtech:Jurstudy im Justizportal Nordrhein-Westfalen.

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Thesenpapier 1

Dieses Papier klingt sehr vielversprechend.

Technischer Sachverstand

Der angesprochene technische Sachverstand ist sehr spannend. Hier wäre meine Frage wie wir das nötige Know-How zur interdisziplinären Ausbildung zeitnah in die Ausbildung integrieren können und welche Anforderungen daran gestellt werden sollten. Sollte dies im Hinblick auf die Ausbildung eine Zusatzqualifikation darstellen oder in der generellen Ausbildung Verankerung finden? Gerade im Hinblick auf die (neue) Vielfalt möglicher juristisch geprägter Berufe wäre es wünschenswert ein breites Angebot zu schaffen ohne die Pflichtausbildung zu überfrachten.

Digitale Kommunikationskultur in der Rechtswissenschaft?

Digitalisierungs-Diskussionen in der Rechtswissenschaft kreisen vielfach um inhaltliche Fragestellungen: Welche Rechtsfragen stellen sich in der digitalen Welt? Welche neuen Inhalte müssen wir in der Ausbildung vermitteln, um NachwuchsjuristInnen auf die juristische Arbeit der Zukunft vorzubereiten? Welche Kompetenzen benötigten JuristInnen von Morgen? Was mir dabei regelmäßig viel zu kurz kommt, ist die Frage, wie wir als rechtswissenschaftliche Community die Digitalisierung zur Verbesserung unserer eigenen Kommunikationskultur nutzbar machen können. Der geschriebene Diskurs findet noch immer vorwiegend in Druckerzeugnissen statt, die zwar zunehmend in Online-Datenbanken abrufbar gemacht werden, welche sich aber in aller Regel auf eine bloße digitale Spiegelung der gewohnt trägen Publikationskultur beschränken. Unsere Tagungskultur, die den mündlichen Austausch ermöglichen soll, wird zwar neuerdings durch Streaming-Angebote ergänzt; wahrgenommen werden diese indes nur von denjenigen, die über externe Kommunikationskanäle hinreichend gut vernetzt sind, um rechtzeitig auf sie aufmerksam zu werden. Online-Lehre wird zwar - notgedrungen durch die Pandemie - mittlerweile beinahe flächendeckend angeboten, beschränkt sich dabei aber regelmäßig auf die Online-Übertragung der gewohnt analogen Frontalunterrichtsformate. Darüber hinausgehende digitale Lernangebote nehmen zwar zu, sind aber (von einzelnen Ausnahmen wie dem Podcast von Prof. Lorenz) jenseits der eigenen universitären Grenzen oftmals kaum für Externe wahrnehmbar. Was fehlt, ist eine zentrale digitale Infrastruktur, die der gesamten Fachgemeinschaft die Möglichkeit zum Austausch von Informationen, zu einem niederschwelligen Diskurs und zur Wahrnehmung der entstehenden digitalen Angebote bietet. Insoweit finde ich es bedauerlich, dass selbst die Pandemie es nicht geschafft hat, uns hier einen notwendigen Impuls zu verschaffen. Wie häufig wurde doch beklagt, die Online-Lehre vergrößere die Distanz zwischen Lehrenden und Lernenden und mache die Kommunikation beider Gruppen - die auch im Hörsaal allzu oft eine Einbahnstraße ist - beinahe unmöglich. Dabei eröffnet die Digitalisierung gerade auch Möglichkeiten zu wesentlich individuelleren Kommunikationsformen, die mit den Ressourcen der analogen Welt kaum umsetzbar wären. Wäre es daher nicht an der Zeit, unsere juristische Kommunikationskultur durch Digitalisierung endlich fit für das 21. Jahrhundert zu machen? Beste Grüße aus Berlin Stephan Klawitter

Nutzerzentrierte juristische Ausbildung

Gefühlt hat sich seit Jahren niemand mehr grundlegend Gedanken darum gemacht, was eigentlich das Ziel der juristischen Ausbildung ist. Ich würde mir wünschen, dass das Ziel der juristischen Ausbildung weiter klar vermittelt wird und auch der Mut besteht sich von bestehenden Arbeitsweisen und Strukturen zu lösen. Warum sollte ein junger Jurist oder eine junge Juristin derzeit fast 10 Jahre Ausbildung absolvieren? Warum in dieser Struktur? Lohnt sich der zeitliche Aufwand eigentlich für das, was ich in dieser Zeit überhaupt lerne? Daneben würde ich freuen, wenn man Jurist:innen mehr Schnittstellenwissen vermitteln könnte. Es wird in der Zukunft Jurist:innen geben, die in der Zukunft eine Mischung aus Informatik und Rechtswesen ganzheitlich in sich verbinden werden, aber die große Mehrzahl wird es nicht können. Dennoch ist es wichtig, dass gerade diese gut mit allen andere Disziplinen zusammenarbeiten können und dafür brauchen wir Schnittstellen zur interdisziplinären Zusammenarbeit. Diese Fähigkeiten kann man fördern.

Digitales Referendariat

Ich würde mir wünschen, dass es eine Möglichkeit gäbe ein Referendariat auch in einer komplett digitalen Form zu absolvieren. Der Regelfall sollte weiterhin Präsenz-AGs und Präsenztermine bei Richter*innen & co sein. Aber spricht etwas dagegen in jedem Durchlauf eine virtuelle AG und virtuelle Stationen anzubieten?

Referendariat als praktische Ausbildungszeit?

Durch die fortschreitende Digitalisierung, die zunehmend auch bei staatlichen Stellen Einzug hält, entfernen sich die Ausbildung und die Realität immer weiter voneinander. Als Referendar arbeitet man in aller Regel auf Papier, ohne Vorlagen, ganz klassisch. Der Staatsanwalt von heute hingegen nutzt immerhin schon digitale Muster und Textbausteine, etwa für die Fertigung der Anklageschrift. Ich hätte sehr gerne all die Zeit, die ich damit verbracht habe, mir zu merken, ob etwas links- oder rechtsbündig, über oder unter dem Landeswappen, und in welcher Reihenfolge genau notiert werden muss, dafür genutzt, inhaltliche juristische Fragestellungen zu bearbeiten. Von der in der Klausur reichlich nutzlos aufgewandten Schreibzeit dafür, Sätze wie „zwei Überstücke fertigen und zur Handakte nehmen“ zu notieren. Logischer wäre doch: Vorlage bereitstellen, inhaltliche Entscheidung vom Prüfling fällen lassen, ankreuzen wofür man sich entschieden hat, fertig. Die Leistung besteht doch im inhaltlichen, nicht im Merken und Schreiben von Standardsätzen, die in der Praxis ja auch nicht von Hand notiert werden. Wir sollten die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen, um uns wieder mehr darauf konzentrieren zu können, gute Jurist:innen auszubilden!

Praxisnähe schaffen - Studium entschlacken

Das juristische Studium in seiner heutigen Form zeichnet sich durch seine Praxisferne aus. Nicht selten hört man im Gespräch mit Anwälten, bei Praktika etc. Aussagen wie "denken Sie bloß nicht, Sie könnten Jura, nur weil Sie das Studium abgeschlossen haben". Das ist erschreckend und zugleich traurig, wenn man auf die eigenen 5-6 Jahre Studium zurückblickt. Anstatt den Studierenden praxisferne Nebengebiete zu vermitteln, sollte ein größerer Fokus auf Grundlagenvermittlung und der Förderung von Kompetenzen liegen, die über das Wissen um die materiellen Inhalte hinausgehen. Es ist doch nicht nachvollziehbar, dass die einzige Ausbildung rhetorischer Fähigkeiten in der Vorbereitung auf die mündliche Prüfung im ersten StEx vorkommt, welche im Zweifel auch noch ohne eine universitäre Begleitung erfolgt. Nicht umsonst sind Juristen für Ihre mangelnde Fähigkeit Inhalte für den Laien nachvollziehbar und unkompliziert darzustellen bekannt. Darüber hinaus würde ein Fokus auf die materiellen Grundlagen zu einer Entschlackung des Curriculums führen und damit vielleicht die doch erhebliche Studienzeit verkürzen. Auch der Umgang mit digitalen Lehrmitteln, Informationsquellen und Gesetzen kommt im Studium viel zu kurz. Wir lernen Jura größtenteils noch mit ÜBERHOLTEN Methoden des 19. Jahrhunderts, um für das 21. gerüstet zu sein. Dass das im Ergebnis zu praxisfernen und unbefriedigenden Ergebnissen führt, sollte sogar den Verfechtern dieser Methoden einleuchten. Abschließend möchte ich noch bemerken, dass dieses Format ein guter Ansatz ist, um "frischen Wind" in die Reformpläne der Juristenausbildung zu bringen. Es ist leicht sich mit abgeschlossenem Staatsexamen und leicht verklärtem Blick an die eigene Studienzeit zurückzubesinnen und dabei die erlebten unnötigen Härten auszublenden. Die Stimme der Studierenden und aktiv Betroffenen wurde dabei bisher kaum gehört. Dass sich dieser Umstand nun immer mehr zu ändern scheint ist begrüßenswert.

Digitalisierungsmindset vermitteln

Die gesamte juristische Ausbildung von Studium bis Referendariat muss digital gedacht werden. Dabei muss vermittelt werden, welche Chancen die Digitalisierung bietet und wie diese von Anfang an in das juristische Arbeiten integriert werden kann. Dazu gehört auch, dass Klausuren Open Book unter Nutzung von Beckonline und Juris geschrieben werden. Das macht m. E. nach das Examen nicht einfacher, sondern erfordert eine noch höhere Konzentration auf das juristische Denken und Arbeiten, weg vom Auswendiglernen.

Digitale Kompetenzen fördern und merh wertschätzen!

Ich würde mir wünschen, dass es noch mehr Möglichkeiten geben würde, sich Kurse mit digitalen Inhalten i.R. von Schlüsselqualifikation und Grundlagen anrechenen zu lassen.

Praxisbezug auch im Ersten Examen

Das erste Staatsexamen ist geprägt vom Auswendiglernen. Die für die Praxis relevanten Prozessordnungen werden meist auf Lücke gelernt, was sich im Referendariat später rächt. Das erste Examen sollte die Studierenden auch schon auf die Arbeit in der Praxis vorbereiten. Weniger zivilrechtliche Nebengebiete und mehr Fokus auf die Grundlagen (AT Fächer und Prozessrecht) würde es den Studierenden ermöglichen, ihre Kenntnisse vertieft auszubauen. Ein weiterer Fokus sollte im ersten Examen (spätestens jedoch im Zweiten) auf rhetorische Fähigkeiten gesetzt werden. Im angloamerikanischen Rechtssystem müssen die Studierenden sich im MootCourt gegeneinander beweisen und erlernen so für die Praxis wichtige Fähigkeiten. In der deutschen Ausbildung werden die angehenden Juristen ins kalte Wasser geworfen. Zwar können die Studierenden die fünfte Mindermeinung zum ETBI auswendig aufsagen, versagen aber kläglich, sobald sie das erste mal ein Plädoyer halten müssen.

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